18.11.2020

Neuerungen des 3. Bevölkerungsschutzgesetzes

Durch Information und Kommunikation bestmögliche Akzeptanz der Schutzmaßnahmen und auch des Handelns der Parlamentarier erreichen -

Aktuell erreicht mich eine Vielzahl von Zuschriften zum Gesetzentwurf „Drittes Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“, die ein großes Spektrum von Sorgen zum Ausdruck bringen. Im Kern eint diese Zuschriften, dass sie in den Neuerungen des 3. Bevölkerungsschutzgesetzes einen Angriff auf unsere Demokratie und dauerhafte Grundrechtsbeschränkungen befürchten.
Ich möchte die Kritik mit diesem Schreiben so gut wie möglich entkräften und durch Information und Kommunikation bestmögliche Akzeptanz der Schutzmaßnahmen und auch des Handelns der Parlamentarier erreichen.

Die gegenwärtigen Rechtsgrundlagen tragen die staatlichen Maßnahmen der vergangenen Monate. Aber angesichts der langen Dauer der Krise wurde in den vergangenen Wochen von verschiedenen Seiten aus eine Konkretisierung dieser Rechtsgrundlagen thematisiert. Dem trägt die neue Gesetzesregelung Rechnung:

Es werden 17 konkrete Maßnahmen bestimmt, die während der Corona-Krise zur Anwendung gebracht werden können, so etwa Pflichten zum Maskentragen oder die Untersagung von Kultur- oder Freizeitveranstaltungen. Welche Maßnahme wo genau die richtige ist, wird vor Ort entschieden. Wir geben aber einen rechtssicheren Rahmen für das zentrale Mittel der Pandemiebekämpfung: die Kontaktbeschränkung.

Besonders grundrechtssensible Maßnahmen wie Versammlungsverbote oder Besuchsverbote in Pflegeheimen sind nur möglich, wenn die wirksame Eindämmung der Infektionen trotz aller anderen Schutzmaßnahmen erheblich gefährdet wäre. In Senioren- und Pflegeheimen muss immer ein Mindestmaß sozialer Kontakte gewährleistet sein.

Zusätzlich kommt es bei den Schutzmaßnahmen darauf an, wie viele Infektionsfälle pro 100.000 Einwohnern in den letzten sieben Tagen aufgetreten sind. Denn bei diesen Werten handelt es sich um ein Frühwarnsystem, um den Schutz von Leib und Leben und die Funktionsfähigkeit unseres Gesundheitssystems weiterhin zu gewährleisten.

Rechtsverordnungen der Länder sind künftig zu begründen und zu befristen.

In der Gesundheitskrise, die unser Land aktuell durchlebt, ist es wichtiger denn je, Falschmeldungen und Missverständnissen entschlossen entgegenzutreten. Es sind schwere Zeiten – und wir alle wünschen uns genau wie Sie nichts sehnlicher, als so bald wie möglich zur Normalität zurückkehren zu können. Wenn wir im Kampf gegen das Virus gewinnen, wenn wir Menschenleben schützen und diese Krise mit so geringen Schäden wie möglich überstehen wollen, braucht es mehr denn je unsere gemeinsame Anstrengung. Es braucht jeden Einzelnen – beim Einhalten der Hygieneregeln ebenso wie bei der Akzeptanz der momentanen Einschränkungen.
Aus diesem Grund bitten wir Sie herzlich, sich angesichts der derzeit kursierenden Behauptungen zum 3. Bevölkerungsschutzgesetz mit den Tatsachen auseinanderzusetzen. Glauben Sie nicht alles, was Ihnen Populisten und Social-Media-Kampagnen zu erzählen versuchen. Stellen Sie selbst fest, dass viele Behauptungen nicht den Tatsachen entsprechen (können). Antworten auf die wichtigsten Behauptungen und Fragen finden Sie im nachfolgenden Text:

Das Wichtigste vorweg: Überzeugen Sie sich selbst.
Der Gesetzestext ist öffentlich zugänglich unter https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/239/1923944.pdf.
Wie im parlamentarischen Verfahren üblich, finden Sie Änderungen, die noch in das Gesetz eingehen sollen, in der sogenannten Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses, hier des Gesundheitsausschusses. Diese Beschlussempfehlung finden Sie unter https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/243/1924334.pdf.

Setzen Sie sich mit diesen Dokumenten auseinander, und Sie werden feststellen, dass das, was an Informationen über dieses Gesetz verbreitet wird, nicht den Tatsachen entspricht.

Falschbehauptung: „Falls der Bundestag diesem Gesetz zustimmt, gibt er seine Mitsprachemöglichkeiten und die der Landtage dauerhaft auf.“
Nein. Richtig ist: Der Bundestag kann die Befugnisse, die er durch ein Gesetz der Bundesregierung und den Landesregierungen eröffnet, jederzeit zurückholen. Das ist selbstverständlich auch beim 3. Bevölkerungsschutzgesetz der Fall. Außerdem kommen die Befugnisse nach § 28a Infektionsschutzgesetz (IfSG) nur zum Tragen, solange eine „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ vorliegt. Der Bundestag hat am 25. März 2020 über das Vorliegen einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite beschlossen und wird diese Feststellung am 18. November 2020 neuerlich bekräftigen. Genauso beschließt der Bundestag auch das Ende dieser epidemischen Lage, wenn diese nicht mehr besteht. Es besteht keine Pflicht des Bundestags, die epidemische Lage beizubehalten. Der Bundestag bleibt in seiner Entscheidung frei.
Daneben kann der Bundestag jederzeit die Regelungen des Infektionsschutzgesetzes wieder ändern und etwa die Befugnisse zum Erlass von Rechtsverordnungen wieder einschränken. Rechtstechnisch wird es als „Ermächtigung“ bezeichnet, wenn ein Gesetzgeber – Bundestag oder Landtag – der ausführenden Gewalt – Bundesregierung, Landesregierung, Verwaltung – den Erlass einer Rechtsverordnung gestattet. Mit einer Ermächtigung im Sinne einer dauerhaften Übertragung von Befugnissen hat dies nichts zu tun, weil eine Ermächtigung zur Rechtsverordnung jederzeit rückgängig gemacht werden kann.
Zudem sind die Befugnisse zum Erlass von Rechtsverordnungen zeitlich befristet. Verordnungen des Bundes treten mit der Aufhebung der Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite durch den Deutschen Bundestag außer Kraft, ansonsten spätestens mit Ablauf des 31. März 2021. Verordnungen der Länder gelten grundsätzlich vier Wochen. Sie können verlängert werden, falls dies aufgrund des Infektionsgeschehens notwendig ist.

Falschbehauptung: „Die Bundesregierung soll durch den aktuellen Gesetzesentwurf in die Lage versetzt werden, die Grundrechte der Bürger längerfristig oder sogar dauerhaft umfassend und nachhaltig zu beschneiden.“ „Der Bundestag will die Grundrechte der Bürger aushebeln.“
Nein. Richtig ist: Grundrechte sind nicht unbeschränkt gewährleistet, sie enden dort, wo die Grundrechte anderer beginnen, und müssen in einen sorgsamen Ausgleich gebracht werden. Das ist schon immer so, aber kommt in der aktuellen Krise besonders deutlich zum Tragen. An diesen Grundsätzen ändert sich auch mit dem 3. Bevölkerungsschutzgesetz nichts.
Der Bundestag beschließt im 3. Bevölkerungsschutzgesetz einen neuen § 28a Infektionsschutzgesetz (IfSG). Dieser definiert Schutzmaßnahmen speziell für die Situation der Corona-Pandemie und bestimmt Abstufungen je nach sog. „Inzidenzwerten“ pro 100.000 Einwohner, nach denen bestimmte Schweregrade von Schutzmaßnahmen in Betracht kommen (unter 35, bis 50, über 50 Neuinfektionen je 100 000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen). Für besonders grundrechtssensible Bereiche wie Versammlungen, Religionsausübung oder Besuche etwa in Seniorenheimen sieht der Paragraph klare zusätzliche Grenzen vor. Sie dürfen nur angewendet werden, wenn eine wirksame Eindämmung der Coronavirus-Infektionen trotz aller anderen Schutzmaßnahmen erheblich gefährdet wäre. In dem neuen § 28a IfSG ist auch festgelegt, dass die Maßnahmen in Seniorenheimen nicht zur vollständigen Isolation der Menschen führen dürfen. Wenn die Verwaltung Schutzmaßnahmen per Rechtsverordnung ermöglicht, müssen solche Rechtsverordnungen begründet und auf maximal vier Wochen befristet werden. Im Übrigen müssen die angeordneten Maßnahmen ihrerseits verhältnismäßig sein; das heißt, es muss geprüft und entschieden werden, ob diese Maßnahmen geeignet, erforderlich und angemessen sind. Es muss abgewogen werden zwischen den Grundrechten auf Leben und körperliche Unversehrtheit der Bürger einerseits, zu dessen Schutz der Staat verpflichtet ist, und den Freiheitsrechten – etwa auf Versammlung, auf Freizügigkeit, auf freie Religionsausübung – andererseits, zu deren Wahrung der Staat ebenfalls verpflichtet ist. Diese schwierige Abwägung muss selbstverständlich sorgsam vorgenommen werden.

Falschbehauptung: „Es wird bewusst nicht offiziell über erfolgversprechende Maßnahmen wie Vitamin-D-Behandlungen informiert“
Nein. Richtig ist: Es wird derzeit weltweit eine Vielzahl wissenschaftlicher Studien durchgeführt, die Präventions- und Therapieansätze zu SARS-CoV-2 / Coronavirus untersuchen. Dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) sind bislang keine Studien bekannt, die belegen, dass die Einnahme von Vitamin D-Präparaten vor einer Infektion mit diesem Virus bzw. der Auslösung der Erkrankung schützt. Erwiesen ist inzwischen hingegen, dass der Hauptübertragungsweg über die Luft – über Aerosole – in geschlossenen Räumen erfolgt. Hierauf basieren die Schutzmaßnahmen wie Maskenpflicht, Verbote größerer Menschenansammlungen in geschlossenen Räumen oder Abstandsgebote. Andere medikamentöse oder sonstige Maßnahmen sind derzeit noch nicht gesichert genug, als dass sie in eine offizielle Empfehlung münden könnten. Selbstverständlich bleibt es Ihnen selbst aber unbenommen, die offiziellen Empfehlungen mit eigenen Schutzmaßnahmen zu ergänzen. Hier kann selbstverständlich beispielsweise auch an die Senkung der Virenlast über Mund-/Rachenspülungen oder eine gesunde Vitamin-D-Versorgung gedacht werden. Das bleibt allerdings Ihrer persönlichen Situation und Ihrer persönlichen Einschätzung vorbehalten.

Falschbehauptung: „Das 3. Bevölkerungsschutzgesetz führt eine Impfpflicht ein.“ „§ 20 Abs. 6 IfSG führt schon längst eine Impfpflicht ein.“ „Die Steuerung der Einreise aus Risikogebieten nach Deutschland stellt eine indirekte Impfpflicht dar. Ebenso wird indirekt ein Immunitätsausweis verpflichtend vorgeschrieben.“ „Bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite ist das Bundesministerium des Innern durch Rechtsverordnung ermächtigt, Schutzimpfungen oder andere Maßnahmen anzuordnen.“
Nein. Richtig ist: Die Bundesregierung und auch wir als Unionsfraktion wollen keine Impfpflicht. Davon war und ist keine Rede. Es wird auch mit dem 3. Bevölkerungsschutzgesetz keine Impfpflicht geben. Das Gesetz schafft lediglich die Voraussetzungen, damit der Impfstoff, wenn er verfügbar ist, all denjenigen schnellstmöglich zur Verfügung gestellt werden kann, die sich impfen lassen möchten. Zu diesem Zweck erarbeitet die Bundesregierung auch ein Impfkonzept, das Leitlinien erstellt, in welcher Priorität sich diejenigen impfen lassen können, die sich impfen lassen möchten. Denn es muss realistischerweise damit gerechnet werden, dass nicht sofort genügend Impfstoff für alle bereitgestellt werden kann. Dabei sind wir zuversichtlich, dass wir das Ziel einer ausreichend hohen Impfquote freiwillig erreichen. Dafür erkennen wir schon heute eine hohe Akzeptanz in der Bevölkerung, sich gegen das Coronavirus impfen zu lassen. Da das Zulassungsverfahren in Deutschland sehr streng ist, müssen in der Regel auch keine Nebenwirkungen befürchtet werden.
Entgegen einiger falscher Behauptungen, dass eine Impfdokumentation bei der Einreise notwendig ist, möchten wir hier ganz klar festhalten: Keiner Bürgerin und keinem Bürger wird die Einreise nach Deutschland verweigert, weil keine Impfung gegen das Coronavirus vorliegt. Wenn ein Impfstoff verfügbar ist, kann es aber zur Vermeidung einer Quarantäne nach Einreise aus einem Risikogebiet notwendig werden, eine Impfdokumentation vorzulegen. Die Quarantäne kann mit der Impfung also umgangen werden.

Falschbehauptung: „Der Bundestag könnte wegen jedes Schnupfens eine epidemische Lage nationaler Tragweite anordnen.“
Nein. Richtig ist: Eine epidemische Lage nationaler Tragweite kommt nur in Betracht, wenn es sich um eine bedrohliche übertragbare Krankheit handelt. Ein schlichter Schnupfen kommt hierfür selbstverständlich nicht in Betracht. Das Coronavirus ist grundsätzlich leicht von Mensch zu Mensch übertragbar. Zwar verläuft die Erkrankung bei der überwiegenden Zahl der Fälle mild. Die Wahrscheinlichkeit für schwere und tödliche Krankheitsverläufe nimmt aber mit zunehmendem Alter und bestehenden Vorerkrankungen zu. Das individuelle Risiko kann jedoch anhand der epidemiologischen/statistischen Daten nicht abgeleitet werden. So kann es auch ohne bekannte Vorerkrankungen und bei jungen Menschen zu schweren bis hin zu lebensbedrohlichen Krankheitsverläufen kommen. Langzeitfolgen, auch nach leichten Verläufen, sind derzeit noch nicht abschätzbar. Gerade weil wir noch immer nicht viel über dieses neuartige Virus wissen, muss der Gesetzgeber alles für den Schutz der Bevölkerung tun. Nach wie vor gibt es keine zugelassenen Impfstoffe und die Therapie schwerer Krankheitsverläufe ist komplex und langwierig. Unser vorrangiges Ziel ist es, Leben und Gesundheit zu schützen und eine übermäßige Belastung des Gesundheitssystems zu verhindern. Das ist selbstverständlich bei einem Schnupfen nicht der Fall.

Liebe Leserin, lieber Leser, ich hoffe, dass ich Ihnen mit diesen Informationen weitergeholfen habe und zumindest einige Bedenken auflösen konnte.